1998 entschlossen sich der Dudelsackbauer Bodo Schulz und die Musikerin Andrea Hotzko dazu, einen Spielkurs für Dudelsack und Drehleier zu organisieren. Obwohl seit den 60er Jahren Dudelsäcke und Drehleiern in Deutschland wieder gebaut und gespielt wurden, waren diese Instrumente selbst in den 90ern bei weitem nicht so verbreitet und bekannt wie heutzutage. Vor allem in den neuen Bundesländern gab es keine Kurse, wo man diese Instrumente lernen konnte.
Ende September 1998 fand der 1. Spielkurs auf Gut Dahlenberg in der Dübener Heide statt. Zum Referenten Team gehörten damals: Silke Reichmann de Salas (Drehleier), Ralf Gehler (Dudelsack), Andrea Hotzko (Hümmelchen), Uli Stornowski (Schalmeien), Bodo Schulz (Rohrblattbau) und Holger Hoffmann (Ensemble). Erfreulicherweise hatte schon der erste Spielkurs eine so gute Resonanz, dass Bodo und Andrea ermutigt wurden, weitere Kurse zu organisieren.
Schon im April 1999 fand der nächste Spielkurs statt. Um die Angebotspalette zu erweitern und auch andere Instrumente, die in der traditionellen Musik häufiger anzutreffen sind, zu berücksichtigen, wurden schon zum zweiten Spielkurs die SPECIAL-Kurse eingeführt. Unter dieser Rubrik waren Instrumente wie z.B. Rahmentrommel, Harfe, Gitarre, Gesang, Geige, Maultrommel, Mandola, Darabuka usw. vertreten.
Seither fanden die Spielkurse immer zwei Mal im Jahr statt. 2003 zog der Spielkurs von Dahlenberg ins Nachbardorf Trossin um, wo er bis 2014 stattfand. Von 2015 bis 2020 hatte der Spielkurs im KulturGut Radis sein Domizil und ab 2021 finde er nun in Torgau statt. Seit 2018 gibt es den Spielkurs auch nur noch ein Mal im Jahr.
In den ersten Jahren waren die Spielkurs Referenten vor allem Musiker aus dem Umfeld von Andrea Hotzko und Bodo Schulz. Darunter waren, außer Kollegen, die sich in der Bordunmusik bewegten, auch Musiker aus anderen Kulturen, die in Deutschland lebten wie z.B. die brasilianische Sängerin Catarina de Paula Borba, der syrische Perkussionist Majid Talhab und der kubanische Flötist Justo Péres.
Vor allem Andrea, die als Musikerin viel in Frankreich und England unterwegs war, stellte fest, dass die meisten Teilnehmer kaum einen Überblick über die aktuelle traditionelle Musik Szene hatten. Viele Bands, die bereits in anderen Ländern gefeiert wurden oder Musiker, die die Entwicklung auf dem Dudelsack oder der Drehleier maßgeblich mit prägten, waren einer Mehrheit der Teilnehmer gänzlich unbekannt. Demzufolge begann der Spielkurs ab 2007, die Kurse unter jährlich wechselnde Länder Schwerpunkte zu stellen (Österreich – Frankreich – England – Belgien – Italien – Schweden) und namhafte Musiker aus ganz Europa einzuladen.
Der Spielkurs war und ist für viele ein wichtiger Termin im Jahr, denn so mancher hat hier seine ersten Schritte in die Welt der Musik gemacht. Aber so eine Veranstaltung organisiert sich nicht von alleine. Es benötigt viel Arbeit, Zeit und auch Herzblut, um den Spielkurs wieder und wieder zu einem tollen Erlebnis für so viele Menschen zu machen.
2016 wurde dieses Engagement auf besondere Weise honoriert. Andrea Hotzko bekam auf dem Rudolstadt Festival die Ehren RUTH überreicht, die an Personen oder Institutionen verliehen wird, die sich in der deutschen Folk Szene verdient gemacht haben. Als Mitgründerin des Spielkurses, organisiert sie diesen seit einigen Jahren komplett alleine. Ihre Bemühungen gelten dabei nicht nur den Teilnehmern, sie versucht auch für ihre Kollegen, die gern von weit her anreisen um beim Spielkurs dabei zu sein, alles so angenehm wie möglich zu machen. Kein Wunder, dass der auch international bekannt ist und einen exzellenten Ruf genießt.
In ihrer Rede bei der RUTH Preisverleihung auf der großen Bühne der Heidecksburg betonte Andrea Hotzko, dass oft unterschätzt wird, welchen wichtigen Beitrag gerade die vielen Laienmusiker zur Bereicherung unserer kulturellen Landschaft leisten. Neben dem Erlernen traditioneller Instrumente war es ihr immer besonders wichtig, den Leuten eine Möglichkeit, zum gemeinsam Musizieren zu geben. Denn Musik lebt ganz essenziell vom Miteinander. Um diesem Gedanken noch einmal Ausdruck zu verleihen, hatte sie vorab alle Teilnehmer, Kollegen und Freunde des Spielkurses gebeten, bei der Verleihung zu einem Flashmob zusammen zu kommen und mit ihr und den Musikern auf Bühne gemeinsam zu spielen.
Viele hundert Menschen haben hier bei uns nicht nur Dudelsack-, Drehleier-, Diatonisches Akkordeon etc. gelernt, sie haben vor allem die besondere Atmosphäre genossen, das gemeinsame Musizieren, die Session- und Tanz-Nächte, das freundschaftliche Miteinander … Und selbst Leute, die zum ersten Mal bei unserem Spielkurs waren, fühlten sich immer schnell als Teil einer großen Familie.
Das war für uns Anlass, den 30. Spielkurs im Frühjahr 2013 besonders zu feiern und Referenten, die uns in den Anfängen des Spielkurses begleiteten, aber auch Musiker, die zu den Länder-Specials bei uns waren, wieder einzuladen.
Der 40. Spielkurs lockte 2018 ca. 130 Teilnehmer und Gäste aus ganz Deutschland ins KulturGut Radis. Wer hätte vor 20 Jahren gedacht, welch großartiges Event sich aus einem kleinen regionalen Musik-Kurs-Wochenende entwickelt. Die Stimmung war bombastisch und selbst die Sonne strahlte in Jubiläumslaune.
Neben den Kursen, die wieder von hochkarätigen Referenten geleitet wurden, gab es ein Rahmenprogramm mit BalFolk bei dem die Bands: NOVAR (F/B), Naragonia (B), Duo Faulkner-Turner (GB), Juli And Jan (D) und Stefan Straubinger Solo(D) spielten; es gab ausgelassene Sessions, Konzerte, einen Tanzkurs und vieles mehr. Alle die dabei waren, werden diesen Spielkurs ganz sicher noch lange in Erinnerung behalten.
Wie die meisten Veranstaltungen, so musste auch der Spielkurs sowohl 2020 als auch 2021 abgesagt werden. Ein herber Schlag für die Teilnehmer, Künstler und die Organisatorin. Aber Musik hilft schließlich über alle Krisen hinweg, und so findet der Spielkurs jetzt wieder als strahlendes Event in der wunderschönen Renaissancestadt Torgau statt.